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Geschichte

Geschichte

Schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es das Deutsche Evangelische Comité zu Rom, kurz Hilfscomité genannt. Auf dem Kapitol gelegen, befand es sich in nächster Nachbarschaft zu anderen deutschen Einrichtungen wie der Reichsbotschaft, dem Deutschen Archäologischen Institut, dem Deutschen Evangelischen Krankenhaus und der Deutschen Evangelischen Gemeinde. Obschon evangelische Einrichtung, spielte die Konfessionszugehörigkeit der Bittsteller für das Hilfscomité von Beginn an eine untergeordnete Rolle.

Das Hilfscomité betrachtete es als seine eigentliche Aufgabe, deutschsprachige Arbeitssuchende in Italien hinsichtlich ihrer Arbeitssuche zu beraten und ihnen Arbeit zu vermitteln. Es intervenierte dabei auch direkt bei den deutschen und italienischen Betrieben in Rom. Ferner half es durch die Ausgabe von Essensbons, Kleiderspenden und kleineren Geldbeträgen, welche die Antragsteller gegen Vorzeigen glaubwürdiger Papiere wie Geburtsscheine, Leumundszeugnisse, Innungs- oder Pilgerscheine usw. erhielten („ohne Legitimation darf er nicht unterstützt werden“). Als Sozialhilfestelle hingegen verstand es sich nicht.

Die Kasse des Hilfsvereins wurde vor allem von den Vorstandsmitgliedern selbst gespeist. Zu ihnen gehörten der jeweils amtierende Pfarrer, der Maler Max Tubenthal, der Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts Christian Hülsen und der Archivar des Preußischen Archäologischen Instituts Robert Arnold. Sie führten akribisch Buch über die Fälle, in denen sie helfen konnten, aber auch über jene, die sie als unglaubwürdig zurückwiesen.

Meist wandten sich junge Männer an das Hilfscomité, häufig wandernde Handwerksburschen, z.B. Buchbinder, aber auch mittellose Maler und Photographen, Gärtner, Kellner,  Fabrikarbeiter, Dienstboten, Laufburschen und andere mehr. Hinzu kamen Weltenbummler, Vagabunden und professionelle Bettler, die keinerlei Absicht hatten, sich in Rom eine Beschäftigung zu suchen.

Zwischen 1896 und 1903 zeichnete der Vorstand über 7.000 Fälle auf, die ein facettenreiches Bild von Menschen zeigen, die nicht zu den Diplomaten oder den Bildungsreisenden, also den Gelehrten und arrivierten Künstlern, gehörten. Er weiß so von einem Hessen zu berichten, der „des Vergnügens halber“ gekommen sei, „Rom sei schließlich das Ziel eines jeden Deutschen, und außerdem wolle er den heiligen Vater sehen“. Ein Schreiner aus dem Rheinland „wollte den Vesuv sehen“, und ein junger Bäcker aus Sachsen hatte sich „Pompeji mit mehr Verständnis angesehen, als man ihm zutrauen sollte“. Ein junger Destillateur „suchte Arbeit in Turin, um den bekannten ‚Vermuto di Torino’ herstellen zu lernen, fand aber keine Arbeit“. Hilfe wurde auch jenen angeboten, die gerade aus dem Gefängnis entlassen worden waren oder ärztliche Versorgung brauchten.

Die Zahl der Vorsprechenden und rein karitativen Fälle waren jedoch von Anfang an so groß, dass das Büro wegen Überlastung die Arbeit bereits nach wenigen Jahren wieder einstellte. Die Hilfesuchenden mussten nun direkt bei den christlichen Gemeinden oder Ordenshäusern vorsprechen.

Ein Deutscher Hilfsverein wurde in Rom erst wieder 1961 als (ausländischer) gemeinnütziger Verein deutschen Rechts mit eigener Satzung gegründet und hat seitdem Bestand. Die Gründung betrachtete man vor allem seitens der deutschen Botschaft beim italienischen Staat als notwendig, weil nach dem Krieg zahlreiche deutsche Flüchtlinge versuchten, über Rom nach Westdeutschland zu gelangen und zum Teile einige Jahre in Rom überbrücken mussten. Die Gründung des Hilfsvereins trug zur Entlastung des häufig wechselnden Botschaftspersonals bei. Ebenso stand der Nicht konfessionell gebundene Hilfsverein zahlreichen anderen Hilfesuchenden offen, die es nach Rom verschlagen hatte. Nach anfänglicher Förderung durch das Auswärtige Amt speist er sich inzwischen ausschließlich aus Spenden. Die Mitglieder und ehrenamtliche Helfer des Hilfsvereins sind größtenteils in Rom ansässige Deutsche.

Seit der Gründung hat sich die Arbeit des Hilfsvereins deutlich verändert. Schon lange ist das Problem deutschstämmiger Flüchtlinge gelöst. Heute sind es vielfach in Rom lebende Deutsche, die hier verwitwet sind und von der italienischen Familie des verstorbenen Lebenspartners nicht, wie sonst in Italien üblich, aufgefangen werden. Die seit der Wahl des deutschen Papstes Benedikt XVI gestiegene Zahl von Touristen bringt auch Menschen nach Rom, die sich irrigerweise hier ein leichteres Leben versprechen als im kalten Norden, und die hier scheitern.

Da die nationalen Sozialverwaltungen anderen Europäern weitgehend die gleichen Leistungen gewähren müssen wie den eigenen Bürgern, haben sich die Lebensverhältnisse in der Europäischen Union bereits angenähert. Dennoch sind die Standards immer noch sehr unterschiedlich und werden es wohl auch noch sehr lange bleiben.

Der Hilfsverein ist bestrebt, im Rahmen seiner Möglichkeiten zu einem Ausgleich beizutragen.

Literatur:

Arnold und Doris Esch:

Italien von unten erlebt: Hilfesuchende und ihre Schicksale in den Registern des Hilfscomités der deutschen evangelischen Gemeinde in Rom 1896-1903, in: BIBLIOTHEK DES DEUTSCHEN HISTORISCHEN INSTITUTS IN ROM

BAND 94, Tübingen 2000, S.287 – 325.